Vor 80 Jahren: In Berlin werden die Olympischen Spiele eröffnet

Katrin Raetz
 
Die Olympischen Spiele vom 1. bis 16. August 1936 in Berlin gelten als die ersten perfekt inszenierten Propagandaspiele. Erstmals gab es einen Staffellauf vom griechischen Olympia bis zum Austragungsort Berlin, eine Tradition, die bis heute bei den Olympischen Spiele gepflegt wird. Im kollektiven Gedächtnis haben sich die Bilder der beiden Olympia-Filme Leni Riefenstahls erhalten. Sie realisierte auf bemerkenswerte Weise in einer eindrucksvollen Bildsprache die propagandistische Botschaft der Spiele von Berlin: Die olympische "Wiedergeburt der Antike im "arischen" Deutschland." (Zitiert nach [1])

 

 

Bereits 1916 sollten die fünften Olympischen Spiele der Neuzeit in Berlin ausgetragen werden. Doch der 1.Weltkrieg verhinderte das sportliche Ereignis und in der Folge durften deutsche Sportler erst 1928 in Amsterdam wieder an den Start gehen. Nach dem Krieg wurde das friedliche Kräftemessen der Nationen betont.

 

Als die Olympischen Spiele 1931 für 1936 an Berlin vergeben wurden, war die politische Situation eine andere. Seit seinem Machtantritt 1933 hatte es Hitler geschafft, das Land in nur wenigen Jahren von einer parlamentarischen Demokratie in eine brutale Diktatur zu verwandeln. Die Opposition war ausgeschaltet, alle Parteien, außer der NSDAP, waren verboten, ihre Repräsentanten und Anhänger waren verstummt, ins Ausland geflohen oder saßen in Folterkellern, Zuchthäusern oder Gefängnissen. Der Terror gegen die Juden bekam durch die Nürnberger Gesetze von 1935 eine staatliche Legitimation. Diese politischen Entwicklungen in Deutschland blieben dem Ausland nicht verborgen.

 

Besonders in den USA gab es viele Vorbehalte und einige Stimmen erwogen einen Boykott der Spiele. Der einflussreiche Vorsitzende der American Olympic Asscociation, Avery Brundage, sah, dass die Boykottaufrufe aus dem linken Spektrum der Gesellschaft kamen, denen sich er sich als Antikommunist keineswegs beugen wollte. Großbritannien wollte mit seiner Teilnahme die gemäßigten Kräfte in Deutschland unterstützen.

 

Nur einzelne Sportler nahmen aus Protest nicht an Spielen teil. So die Schwimmerin Judith Deutsch aus Österreich, die nicht in einem Schwimmbecken an den Start gehen wollte, in dem es Juden nicht gestattet war, dieses zu benutzen. Die deutsche Reichsregierung sicherte dem IOC die Teilnahme der jüdischen Sportlern ohne Diskriminierung zu. Für die Zeit der Spiele verzichteten die Nationalsozialisten auf allzu offene antisemitische Hetze und die Schilder mit dem Aufdruck “Für Juden verboten” verschwanden in Berlin aus dem Straßenbild. Aus Propagandagründen sollten erfolgreiche jüdische Sportler unbedingt für Deutschland starten. Darunter war auch die Hochspringerin Gretel Bergmann, der man dann aber letztendlich die Teilnahme an den Wettkämpfen versagte. Andere Sportler, wie die sehr erfolgreiche Fechterin Helene Meyer, die dann sie die Silbermedaille gewann, durften an den Wettkämpfen teilnehmen.

 

Großen Anteil daran, dass die Olympischen Spiele an Berlin vergeben wurden, hatte Theodor Lewald, der sich bereits für die Finanzierung und Organisation der Spiele 1916 eingesetzt hatte. Lewald wurde Vorsitzende des Olympischen Komitees (OK), genau eine Woche bevor Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde. Lewald, der nach den Nürnberger Rassegesetzen als Halbjude klassifiziert wurde, blieb weiter Präsident des OK, dessen Macht und Einfluss aber zu Gunsten des Reichsportführer Hans von Tschammer und Osten aber immer geringer wurde, bis er später ganz aus dem OK heraus gedrängt wurde. Wie die jüdischen Sportler war Lewald ein Feigenblatt für die antisemitische Politik der deutschen Regierung.

 

Dabei wollten sich die Nationalsozialisten zuerst nicht mit dem Gedanken anfreunden, die Olympischen Spiele ausrichten, da sie im Gegensatz zu den Sozialdemokraten, Kommunisten und den Bürgerlichen kaum eine eigne Sportkultur und Sportvereine unterhielten. Doch schnell erkannten sie die Möglichkeit, die Spiele für ihre Zwecke zu missbrauchen. Beim Besuch des Berliner Reichsportfeldes erklärte Hitler im Oktober 1933, die Spiele seien ein nationales Ereignis und so auch vom Reich zu finanzieren. Für die für die Spiele zu errichtenden Bauten wurden über 100 Millionen Reichsmark zur Verfügung gestellt. Der Architekt Werner March projektierte nach Hitlers Vorstellungen ein Ensemble von Bauten im Stil des Neoklasszismus. In der monumentalen Architektur fanden sich Anleihen aus der Antike wieder. Das Stadionensemble war bereits in Hitlers Pläne für den Umbau Berlins in die (Welt-) Hauptstadt Germania integriert.

 

Betrachtet man die Anlage in Ost-West-Richtung, ergibt sich folgendes Bild: Im Vordergrund sieht man den Olympischen Platz, gefolgt vom Olympiastadion, für das das römische Kolosseum wohl Vorbild war. Otto March, der Vater von Werner March, hatte bereits das Deutsche Stadion in Berlin, das damals zu den größten Stadien der Welt gehörte, geplant. Das neue Olympiastadium bot nun zirka 100.000 Zuschauern Platz. Daran schließt sich das Maifeld an, ein Aufmarsch- und Kundgebungsplatz für zirka 240.000 Akteure und Zuschauer.

 

Die Nationalsozialisten wollten damit die Verbundenheit des deutschen Nationalsozialismus mit der Griechischen Antike demonstrieren. Was konnte dies besser symbolisieren, als ein Fackellauf vom griechischen Ursprung in Olympia bis in das nationalsozialistische Berlin. So schildert es ein Jahr später der Initiator des Fackellaufes, der deutsche Sportfunktionär und Weggefährte von Theodor Lewald, Carl Diem.

 

Über 3.000 Kilometer führte diese Strecke, bei der jeder Läufer einen Kilometer zu absolvieren hatte. Pünktlich am 1. August, zur Eröffnung der Spiele, erreichte die Flamme Berlin. Im Berliner Lustgarten wurden auf zwei Altären mit der Fackel das Olympischen Feuer entzündet. Von dort wurde die Flamme in das Berliner Olympiastadion, zur Regatta-Strecke in Berlin-Grünau und zur Kieler Bucht gebracht, wo die Segelwettkämpfe stattfanden.
Hörbeispiel: Reportage von der Ankunft der Fackel am Lustgarten. (Link zum Deutschen Rundfunkarchiv,  öffnet in neuem Fester)

 

Der letzte Staffelläufer war Fritz Schilgen. Er war kein Mitglied der deutschen Olympia-Mannschaft, sondern wurde von Leni Riefenstahl persönlich auf Grund seines athletischen Körperbaus und seines “schwebenden” Schrittes ausgewählt. Riefenstahl wurde mit der Aufgabe betraut, einen Film über die Spiele zu drehen. Riefenstahl hatte sich mit ihren Filmen über die Reichsparteitage bei Hitler empfohlen. Ihr stand für dieses Prestigeprojekt ein riesiger Etat zur Verfügung. Der Film beginnt in den Ruinen Olympias und filmt die Statuen und wie diese durch Überblendungen allmählich als Staffelläufer lebendig werden, die sich auf den Weg nach Berlin machen. So wird der alte Geist der Antike im Nationalsozialismus wieder lebendig. Die Inszenierung des vollendeten Körper ist wichtiger als der sportliche Wettkampf.

 

Die Nationalsozialisten hatten großes Interesse, die Sportbegeisterung auch nach den Spielen zu erhalten. Zum einen war es die Propagierung des "arischen Körpers", wie er sich in künstlerischen Skulpturen  Arno Brekers und Joseph Thoraks zeigte. Man gab sich nicht nur als die wahren Erben der Griechischen Antike, sondern verband diese mit der NS-Rassenideologie. So heißt es in einer NSDAP Parteibroschüre zur weltanschaulichen Schulung:

 

“Daß die Griechen nordischen Ursprungs waren, zeigen die Skulpturen, die sie schufen. Ihre Göttergestalten, die sie in Stein meißelten, tragen den Körperbau und Schädelform, in Gesichtsausdruck und Schnitt ihre nordische Abstammung zur Schau. Sie lassen sich kaum unterscheiden von den heutigen Vertretern nordische Rasse. Dasselbe gilt für die Römer.” (Zitiert nach [2], S. 170)

 

Überhaupt wird man in deutschen Presse nicht müde, die Verbindung zwischen der griechischen Antike und dem nationalsozialistischen Deutschland zu zeigen. Ein spezielles Kulturprogramm anlässlich der Spiele war in Berlin für die vielen Besucher aus dem In-und Ausland zu sehen.

 

Die Dietrich-Eckardt Bühne, die heutige Waldbühne, die in der Nähe des Olympiastadions gebaut wurde, war eine Art Amphitheater nach griechischem Vorbild. Während der Spiele wurde hier Händels Herakles aufgeführt. Auch das Deutsche Schauspielhaus führte zu Ehren der Olympischen Spiele Aischylos Orestie auf. Im Alten Museum, am Fuß des Pergamon-Altars, gab Hermann Göhring einen Empfang für die nationalen Delegationen. Auf den Fotos, die im Völkischen Beobachter abgebildet wurden, sah man Mädchen und Jungen in antiken Gewändern.

 

Für die vielen Sportbegeisterten übertrug der Rundfunk die Wettkämpfe. Doch erstmals stand für die Olympischen Spiele das noch sehr junge Medium Fernsehen zur Verfügung. Da es nur sehr wenige Privatbesitzer von TV-Geräten, im Gegensatz zum Massenmedium Rundfunk gab, wurden in Berlin und Leipzig öffentliche Fernsehstuben eingerichtet. Die Qualität der Bilder war allerdings noch sehr bescheiden. 
Hörbeispiel: Rundfunkreportage von 100 Meter Finale der Männer.  (Link zum Deutschen Rundfunkarchiv,  öffnet in neuem Fester)

 

Zum Ensemble der Bauten für die Spiele die vom Architekten Werner March projektiert wurde, gehörte auch die Langemarkhalle, wo den Gefallenen des Ersten Weltkrieges gedacht werden sollte. Der populäre Mythos sollte an die zehntausende junger, schlecht ausgebildeter Rekruten erinnern, die in Flandern 1914 angeblich mit dem Deutschlandlied auf den Lippen in den Tod gingen. Diese Verehrung des Heldentodes begann noch während des Krieges. Ab 1928 reklamierte die Deutsche Studentenschaft den Opfertod für das Vaterland für die akademische Jugend.

 

Auch hier war Carl Diem Ideengeber, die Langemarkhalle in den Komplex der Olympischen Bauten zu integrieren. Diem hatte den Sport als Wehrersatz gepriesen, um so die Nationalsozialisten für die Ausrichtung der Spiele zu begeistern.

 

Persönlich besorgte Diem die Blut getränkte Erde aus Flandern. Hitler übernahm diesen Opferkult in Verbindung mit den Olympischen Spiele nur zu gern. Doch die opferbereiten Soldaten kamen nun aus allen Schichten der deutschen Bevölkerung und nicht mehr nur aus der akademischen Jugend.

 

Kurz vor der Eröffnung der Spiele betritt Hitler die Langemarkhalle, nur in Begleitung seines Kriegsministers Werner von Blomberg und eines Reporterteam, das diesen Besuch publikumswirksam inszenierte.

 

Bereits wenige Wochen nach den Spielen unterstützt das NS-Regime den faschistischen Putschisten General Franco, der die demokratisch gewählte spanische Regierung stürzen will, militärisch. Am 26. März 1937 bombardiert die Legion Condor die spanische Stadt Guernica. Vom Olympischen Geist des friedlichen Kräftemessen der Völker 1936 blieb nichts übrig.

 

Zum Weiterlesen

[1] Rainer Rother. Riefenstahls "Olympia".  In Berliner Geschichte - Zeitschrift für Geschichte und Kultur. Ausagbe 6, 2016.

[2] Johann Chapoutot. Der Nationalsozialismus und die Antike.

Zu Nachhören und Nachsehen

Das   Deutschen Rundfunkarchiv (DRA) hat eine Dokumentation mit Reportagen von den Wettkämpfen und Veranstaltungen  der  Olympischen Spielen von 1936 auf seinen Seiten erstellt.

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Gerd (Freitag, 13 April 2018 17:54)

    Die ersten reinen Propagandaspiele, gab's auch Sport?

  • #2

    Bernd (Mittwoch, 26 Dezember 2018 10:41)

    Sehr schön. Wann gib 's mal was Neues hier?