Vor 45 Jahren: Jane Fonda spricht über einen Radiosender in Nord-Vietnam zu amerikanischen Soldaten

Katrin Raetz

 

This is Jane Fonda. During my two week visit in the Democratic Republic of Vietnam, I've had the opportunity to visit a great many places and speak to a large number of people from all walks of life--workers, peasants, students, artists and dancers, historians, journalists, film actresses, soldiers, militia girls, members of the women's union, writers.

I visited the Dam Xuac agricultural coop, where the silk worms are also raised and thread is made. I visited a textile factory, a kindergarten in Hanoi. The beautiful Temple of Literature was where I saw traditional dances and heard songs of resistance. I also saw unforgettable ballet about the guerrillas training bees in the south to attack enemy soldiers. The bees were danced by women, and they did their job well.

In the shadow of the Temple of Literature I saw Vietnamese actors and actresses perform the second act of Arthur Miller's play All My Sons, and this was very moving to me--the fact that artists here are translating and performing American plays while US imperialists are bombing their country [...]” [1]


Die leidenschaftliche Stimme gegen den Vietnamkrieg gehört der amerikanischen Schauspielerin Jane Fonda. Über einen nordvietnamesischen Sender spricht sie zu den amerikanischen Soldaten.

Im Sommer 1972 reiste sie nach Nordvietnam. Sie besuchte Schulen und eine Theateraufführung von Arthur Millers “All my sons” und ist beeindruckt vom dem Land und seiner Kultur. Auf ihrer Reise lernte sie Künstler, Bauern von Kooperativen, Studenten und Künstler kennen. Sie wollte den Soldaten von ihren Erfahrungen mit diesen Menschen berichten.

 

Doch in die Schlagzeilen gerät sie durch ein Foto, das um die Welt geht. Jane Fonda mit Helm neben einem Flugabwehrgeschütz der vietnamesischen Armee. Dieses Foto bringt ihr zu hause den wenig schmeichelhaften Namen “Hanoi-Jane” ein. Neben Hass und Häme spürt sie die Verachtung von Veteranen, die sich durch ihr Verhalten provoziert fühlen. Später bekennt sie, dass ihr dieses Foto sehr leid tat. Nicht aber ihr Einsatz gegen den brutalen Krieg, der unermessliches Leiden für die vietnamesische Zivilbevölkerung brachte.

 

Jane Fonda gehörte zu den wenigen Schauspielerinnen, die von Hollywood nach Europa gingen. Zu diesem Zeitpunkt war sie erst Anfang Zwanzig, aber sowohl am Theater als auch im Film in den USA sehr erfolgreich. In Frankreich kann sie ihre Karriere fortsetzen, doch für einzelne Filmprojekte kehrte sie in die USA zurück.

 

In Frankreich lernte sie den Regisseur Roger Vadim kennen und heiratete ihn 1965. Drei Jahre später kommt Tochter Vanessa zur Welt. Vadim sagte später über Jane Fonda: Sie hatte alles. Sie war erfolgreich, hatte einen Mann, der sie liebte und ein Kind. Sie hätte glücklich sein sollen, aber sie war es nicht. Aber er spricht auch über ihr Streben nach Perfektion und von ihren Selbstzweifeln. Unter der Regie ihres Ehemannes entstand 1968 der Science-Fiction-Trash Film “Barbarella”, der sie zu einem Sexsymbol stilisierte.

 

Doch von diesem Image trennte sich Jane Fonda Ende der Sechziger Jahre radikal. Nach einem kurzen Aufenthalt in Indien kehrt sie in die USA zurück. Die Filme, die Ende der Sechziger und in den Siebziger Jahre dort entstanden, gehören zu ihren gesellschaftskritischen und besten Arbeiten.

 

Zu Beginn der Sechziger schenkte die US-Öffentlichkeit dem - zunächst als “Polizeieinsatz” benannten - Krieg der USA in Vietnam kaum Beachtung. Eine offizielle Kriegserklärung der USA gab es nie. Ziel der Amerikaner war, das politische instabile und korrupte Regime in Südvietnam mit allen Mitteln zu stützen. Man glaubte, dass falls eines der Regimes in Südvietnam, Kambodscha oder Thailand gestürzt werden würde, automatisch alle anderen ebenso zusammenbrechen würden. Diese schon 1954 von Dwight D. Eisenhower verkündete “Domino-Theorie” sagte aus, dass nach und nach alle Länder einer Region wie bei einer Kette von Dominosteinen “umfallen” und sich damit von der westlichen Welt abwenden und kommunistischen werden würden.

 

Doch dieser Krieg entwickelte seine eigne Dynamik. Immer höher wurden die militärischen Aufwendungen und ebenso die personellen Verluste der Amerikaner und zunehmend gab es auch in den USA Stimmen, die dem Krieg kritisch gegenüber traten. Nach der Tet-Offensive zu Beginn des Jahres 1968, bestimmte der Krieg in Vietnam den Wahlkampf für die Präsidentschaftswahl 1968 in USA vollends.

 

Der Nominierungsparteitag 1968 der Demokraten im Chicago Civic Center versinkt im Chaos. Der demokratische Präsident Lynden B. Johnson verzichtete auf eine Kandidatur. Auf den Straßen demonstrieren vor allem junge Leute lautstark gegen den Krieg. Die Polizei Chicagos geht äußerst brutal gegen die Protestierer vor und das Fernsehen zeigt Bilder von bürgerkriegsähnlichen Zuständen in der Stadt. Obwohl bei den Vorwahlen die Anti-Kriegskandidaten vorn lagen, können und wollen sich die Delegierten der Demokraten nicht auf einen Kandidaten einigen, der den Krieg konsequent beenden will. Nominiert wurde der Kriegsbefürworter Hubert H. Humphrey, der an den Vorwahlen nicht teilgenommen hatte.

 

Unter den Demonstranten ist eine Gruppe linker Aktivisten, die Youth International Party, die ein kleines Schwein namens “Pigasus” zum ihrem Kandidaten küren. Zu ihnen gehörte der Aktivist Tom Hayden. Nicht nur die Aktivisten werden verhaftet, sondern auch ihr Kandidat ”Pigasus”, der später einer Tierschutzorganisation übergeben wurde.

 

Mit dem Wahlversprechen, die amerikanischen Soldaten zurückzuholen und den Krieg in Vietnam zu beenden, gewinnt der Republikaner Richard M. Nixon mit überwältigender Mehrheit die Wahl. Allerdings hintertreibt Nixon die Friedensbemühungen seines Vorgängers. Er zieht zwar Truppen ab, aber um den Preis der Ausweitung des Luft-Bombardements und der Ausweitung des Krieges auf die Nachbarländern Vietnams Laos und Kambodscha. Die amerikanische Öffentlichkeit erfährt nun auch von den Massakern und Kriegsverbrechen in Vietnam. Diese lösen nicht nur in den USA große Empörung und Proteste hervor.

 

Jane Fonda will mit ihrer Arbeit als Künstlerin sich gegen diesen Krieg engagieren. Seit 1970 spielte sie in einer Gruppe von jungen Künstler, darunter der Schauspieler Donald Sutherland und die Sängerin Holly Near, politisches Kabarett, mit dem offiziellen Namen “Free the army”, gemeint war aber ”Fuck the army”, eine Art alternative Truppenbetreuung.

 

Da eine Aufführung auf auf dem Militärgelände für die Truppe nicht gestattet war, traten sie in Kaffeehäusern und Theatern auf, die sich in der Nähe der US-Kasernen befanden.

 

Als Jane Fonda für ihre Rolle der Bree Daniels in dem Film “Klute” ihren ersten Oscar erhält, erwarten viele Zuschauer ein Statement gegen den Krieg in Vietnam. Doch Fonda nimmt den Preis nur mit einer kurzen Danksagung entgegen.

 

Seit ihrer Rückkehr aus Frankreich geht sie in Talkshows und besucht Protestveranstaltungen, um ihre Landleute über den Vietnamkrieg zu informieren. Bei einer Veranstaltung der University of California Los Angeles spricht sie vor Studenten gegen den Vietnamkrieg.

 

In ihrer Rede verurteilt sie nicht nur den Krieg in Vietnam. Es ist auch eine Anklage der amerikanische Gesellschaft. Sie argumentiert ähnlich wie der schwarze Bürgerrechtler Martin Luther jr.: Dieser Krieg, ist ein Krieg des Weißen Amerika. Während reiche weiße junge Männer recht einfach den Militärdienst in Vietnam umgehen können, so wie beispielsweise die späteren Präsidenten Bill Clinton, George Bush jr. oder Donald Trump, kämpfen weniger privilegierte Weiße und verhältnismäßig viele Afro-Amerikaner in Vietnam für die Verteidigung von Freiheiten, die ihnen ihr Heimatland verwehrt. Der Boxweltmeister im Schwergewicht Muhamed Ali verweigerte den Kriegsdienst mit den Worten:

 

"My conscious won't let me go shoot my brother, or some darker people, or some poor hungry people in the mud for big powerful America. And shoot them for what? They never called me nigger, [...]”[2]

 

Gemeinsam mit dem Aktivsten Tom Hayden arbeitete Jane Fonda in der Indochina Peace Campaigne. Fonda lässt sich 1973 von Vadim scheiden und heiratet Tom Hayden, dessen politische Aktivitäten sie unterstützt. Im Juli 1973 kommt ihr gemeinsamer Sohn Troy zur Welt. Fonda und Hayden wählten diesen Namen, da er sowohl in Amerika als auch in Vietnam gebräuchlich ist. Konnte sich Jane Fonda Ende der Sechziger und zu Beginn der Siebziger Jahre die Filmrollen aussuchen, lässt das Interesse in Hollywood später spürbar nach. Sie glaubte zwar nicht, auf der schwarzen Liste zu stehen, aber vermutete später scherzhaft in einem Interview auf einer “graue Liste” gestanden zu haben.

 

Auf ihrer zweiten Reise nach Vietnam 1974 begleitete sie Tom Hayden und ihr kleiner Sohn. Es entstand der Film “Introduction of the Enemy - Vorstellung eines Feindes”. Er verdeutlichte ihr Anliegen, die Vietnamesen nicht als verschlagene Feinde, sondern als ein Volk, das sich nach Frieden sehnt, zu zeigen.

 

Lange kämpfte Fonda für das Filmprojekt “Coming Home - Sie kehren heim”. Dieser Film ist den Menschen gewidmet, die sie bei ihrer ersten Reise und in ihrer politischen Arbeit erreichen wollte: die amerikanischen Soldaten. Durch die Arbeit der IPC lernte Fonda auch viele Veteranen kennen, die sich gegen den Krieg in Vietnam stellen. Einer von ihnen war Ron Kovic. Von seiner Geschichte ist die Handlung des Filmes “Coming Home” inspiriert. Kovics Geschichte wurde zwölf Jahre später mit Tom Cruise unter dem Titel “Born on the fourth of July” von Oliver Stone verfilmt.

 

Coming Home ist ein Film, der den Krieg bewusst nicht zeigt. Doch der Krieg verändert das Leben der Menschen nachhaltig. Die Offiziersfrau Sally, gespielt von Jane Fonda, beginnt in einem Hospital als Freiwillige zu arbeiten, als ihr Mann (Bruce Dern) nach Vietnam kommandiert wird. Als Sally ein Bericht in einer Zeitung über das Hospital bringen möchte, muss sie erkennen, dass sich für die Belange verwundeter Soldaten niemand interessiert. Auch Sallys Mann verliert sein altes Leben: Ohnmächtig muss er erleben wie seine Soldaten Massaker an den Vietnamesen begehen, kann er mit seiner Frau nicht über den Krieg nicht reden und betrinkt sich stattdessen. Er zeigt einen gebrochen Charakter, traumatisiert und ohnmächtig dem Krieg gegenüberstehend.

 

Er verliert so Sally, die sich zu Luke (Jon Voight), einen ehemaligen Schulkamerad Sallies, hingezogen fühlt, den sie im Hospital wieder sieht. Luke, der nach seinem Kriegseinsatz im Rollstuhl sitzt will nun junge Männer davon abhalten, sich freiwillig für den Kriegsdienst in Vietnam zu verpflichten.

 

Für ihre Darstellung erhielt Jane Fonda ihren zweiten Oscar. In ihrer Rede dankte sie den vielen Menschen, die sie beim ihrem Vorhaben unterstützten. Den ersten Teil ihrer Rede hielt sie in Gebärdenksprache, um auf die Probleme gehörloser Menschen aufmerksam zu machen.

 

Auch wenn Jane Fonda mit ihren Fitness-Videos in den Achtziger Jahren eine große Aufmerksamkeit erlangte, so blieb ihr Engagement gegen den Krieg und für Frauenrechte.

 

Am 22. Dezember wird Jane Fonda 80 Jahre alt.
[1] Vollständiger Text der Rede vom 22. August 1968: http://www.lib.berkeley.edu/MRC/pacificaviet/fonda.html